Im Saal 2 des Zentral-OP im Solinger Klinikum wurde ein OP-Roboter in Betrieb genommen. Das DaVinci Xi Chirurgiesystem von Intuitive Surgical ist die vierte und neueste Generation des Intuitive-Operationsroboters. Das High-Tech-System unterstützt die Spezialisten der Fachbereiche Urologie und Viszeralchirurgie bei komplexen operativen Eingriffen insbesondere in beengten Körperregionen. Die beiden Fachabteilungen wurden als erste in umfangreichen Trainings auf das roboterassistierte Operieren vorbereitet. Im Bereich Urologie wurden bereits erste Operationen erfolgreich durchgeführt. Auch im Bereich der Allgemein- und Viszeralchirurgie ist das gesamte Handling des DaVinci Xi mittlerweile vertraut. Bis Ende 2022 soll das Spektrum um gynäkologische Eingriffe erweitert werden.
Bei der OP-Robotik handelt es sich um eine Weiterentwicklung der minimal-invasiven Chirurgie, die sich in den vergangenen zwei Dekaden in fast allen am Städtischen Klinikum Solingen vertretenen Disziplinen als operative Standardtherapie durchgesetzt hat. Nur, wenn es anders nicht geht, wird am SKS noch offen operiert. Die Schlüsselloch-Chirurgie, wie es populär genannt wird, hat allerdings trotz vieler Vorteile ihre Grenzen. Dazu zählen eine weitgehend zweidimensionale Sicht, fehlende Freiheitsgrade bei der Instrumentenbeweglichkeit, eine schwierige Auge-Hand Koordination und schließlich für den Operateur körperlich anstrengende Haltungen bei langwierigen Eingriffen.
Dies ist beim OP-Roboter anders. Das System besitzt Fähigkeiten, die die Kompetenzen des erfahrenen Operateurs zusätzlich verstärken. An erster Stelle ist die exzellente Darstellung des zu operierenden Organs zu nennen. Es ermöglicht eine dreidimensionale, zehnfach Vergrößerte Sicht. Selbst kleinste Gefäße und Nerven sind deutlich zu erkennen. Dank wackelfreier Kameraführung, dem Tremorausgleich – sprich Stabilisierung der natürlichen Handmotorik - sowie den sieben Freiheitsgraden der Beweglichkeit und einer verbesserten Ergonomie bekommt der Operateur intelligente Werkzeuge für noch mehr Präzision in die Hand. Denn daran ändert sich nichts: Es ist nicht der Roboter, der operiert, sondern weiterhin ein Mensch – ein geübter Arzt oder eine Ärztin, welche den Roboter steuert.
„Der Roboter macht nichts ohne den Arzt“, betont Prof. Dr. Markus Heuser. Der Chefarzt hat im Zuge der Vorbereitung das Zertifikat für Robotik erlangt und im Fachbereich Urologie mittlerweile drei Patienten mit dieser Technologie erfolgreich und komplikationslos operiert. Der erste Patient ist bereits in gutem Zustand nach Hause entlassen worden. Prof. Dr. Heuser: „Ich freue mich darauf, den Einsatz weiter auszudehnen. Vor allem das feine Operieren an Nerven und Blutgefäßen sowie Nerven der Beckenorgane Prostata und Blase ist viel besser möglich geworden. Durch die Übersetzung grober Bewegungen der Hand auf feinste Bewegungen der Roboterinstrumente durch den Computer lässt sich eine ganz genaue Präparation erzielen“.
Auch die Ärzte der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie unter der Leitung von Privatdozent Dr. Peter Schenker, die derzeit noch das intensive multimodale Training absolvieren, sind von der baldigen Nutzung der computergesteuerten Technik begeistert. PD Dr. Schenker: „Prinzipiell können alle bauchchirurgischen Eingriffe mit dem Roboter durchgeführt werden. Besondere Vorteile ergeben sich bei Rekonstruktionen mit komplexer Nahttechnik. So wird bei Patienten mit Erkrankungen des Darms, des Magens und der Bauchspeicheldrüse ein besonders nervenschonendes Operieren möglich“. Der erste Einsatz des OP-Roboters im Bereich der Allgemein- und Viszeralchirurgie ist für Ende Mai vorgesehen.
Bei der roboterassistierten Chirurgie handelt es sich um eine Teamarbeit vieler beteiligter Personenkreise. Die Operationsassistenz ist ähnlich wichtig wie der Operateur selbst, weil eben der operierende Arzt nicht mehr am OP-Tisch arbeitet, sondern an der Konsole in gewisser Distanz und über die 3D-Optik fast selbst sozusagen in den Körper eintaucht. Prof. Dr. Heuser: „Potentielle Probleme erfordern die enge Kommunikation zwischen den Teammitgliedern und die Rückkopplung zum Operateur. Wie immer in einem Team ist der einzelne nur so gut wie das Team als Ganzes. Auch die Medizintechnik spielt eine erhebliche Rolle“.
Die Gewinner der technologischen Innovation sind vor allem die Patienten. Sie profitieren während der OP von geringerem Blutungsrisiko und der Notwendigkeit einer Transfusion. Dies ist in Zeiten überall knapper Blutkonserven nicht ohne Bedeutung und fügt sich in die bereits bestehende Strategie von blutsparendem Operieren am SKS ein. Weitere Vorteile: Die postoperativen Schmerzen sind viel geringer, sodass sich der Körper noch schneller erholt. Der Klinikaufenthalt verkürzt sich. Auch OP-Folgerisiken wie Inkontinenz oder Störung der Sexualfunktion lassen sich minimieren. Teilweise erübrigt sich sogar die Notwendigkeit eines künstlichen Darmausgangs. Und natürlich spielt das kosmetische Ergebnis mit ganz kleinen Narben nach den max. ein Zentimeter großen Hautschnitten keine unwichtige Rolle.
Die OP-Robotik hat seit 2008 Einzug in die OP-Säle in Deutschland gehalten. Anfangs wurden knapp 2.000 Operationen pro Jahr mit Hilfe eines Roboters durchgeführt. 2019 waren es bereits knapp 29.000 Eingriffe auch außerhalb akademischer Großzentren. Es ist zu erwarten, dass diese Technologie zukünftig vermehrt nachgefragt wird. Die Teams der Anästhesie und OP-Pflege mit den Fachbereichen Urologie und Viszeralchirurgie sind jetzt darauf hervorragend vorbereitet.
Beide in die OP-Robotik eingestiegenen Fachbereiche klären die Patienten selbstverständlich umfänglich auf. Sowohl in der Klinik für Urologie von Prof. Dr. Heuser als auch in der Allgemein- und Viszeralchirurgie von PD Dr. Schenker wird eine gesonderte Sprechstunde für roboterassistierte Chirurgie angeboten.